Forschungsförderung Interdisziplinäres Verbundprojekt: Neue Ansätze des Bio-Engineering für die automatisierte Herstellung komplexer Organoide
Carl-Zeiss-Stiftung fördert Heidelberger Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des Molecular Systems Engineering mit sechs Millionen Euro
Die reproduzierbare und präzise Herstellung von komplexen Organoid-Modellen zur Simulation von Fehlfunktionen menschlicher Organe steht im Mittelpunkt eines interdisziplinären Forschungsvorhabens an der Universität Heidelberg. Ein Forschungsteam aus den Lebens- und Ingenieurwissenschaften möchte dazu das Engineering molekularer Systeme mit Maschinellem Lernen und automatisierten Herstellungsmethoden verbinden. Ziel ist es, komplexe Organ-on-a-Chip-Systeme zu entwickeln, die zur Untersuchung von Krankheitsmechanismen organübergreifend eingesetzt werden können. Langfristig soll so die Erprobung neuartiger therapeutischer Ansätze ermöglicht werden. Wissenschaftlich verantworten das Projekt „Precision Organoid Engineering for Multi-Organ Interaction Studies“ (POEM) Prof. Dr. Johannes Backs (Medizin), Prof. Dr. Wolfram Pernice (Physik) sowie Prof. Dr. Christine Selhuber-Unkel (Ingenieurwissenschaften). Für die Forschungsarbeiten stellt die Carl-Zeiss-Stiftung über einen Zeitraum von sechs Jahren Fördermittel in Höhe von sechs Millionen Euro zur Verfügung.
Organoide als Miniaturversionen menschlicher Organe werden aus Stammzellen gewonnen und dienen der experimentellen Untersuchung komplexer Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs. Beschränkungen bei aktuell verfügbaren Systemen liegen unter anderem in den langwierigen „Reifeprozessen“ bei der Modellierung von erwachsenem menschlichem Gewebe. Auch gibt es nach den Worten der Heidelberger Wissenschaftler bislang kaum Modelle, mit denen sich das Zusammenspiel mehrerer Organe in vivo simulieren lässt. „Ziel des POEM-Projekts sind automatisierte Ansätze des Bio-Engineering, mit denen sich präzise Organoid-Modelle nicht nur mit großem Durchsatz, sondern auch reproduzierbar herstellen lassen“, so Projektinitiatorin Dr. Andrea Leibfried, Geschäftsführerin der CellNetworks Core Technology Platform der Universität Heidelberg.
Auf den Gebieten des Engineering molekularer Systeme, des Maschinellen Lernens, der Biomedizin und der Modellierung arbeitet das Heidelberger Forschungsteam an der Ultraschall-basierten Assemblierung von Zellen kombiniert mit komplexer Mikrofluidik und molekularen Markern. So sollen verschiedene Organoide kontrolliert wachsen und miteinander verbunden werden. In Kombination mit KI-gestützten Screening-Verfahren sollen diese komplexen Organ-on-a-Chip-Systeme klinisch relevante und komplexe Krankheitsmodelle – etwa für das „Broken Heart Syndrom“ – liefern und dabei insbesondere die Wechselwirkungen zwischen den Organen wie Herz und Hirn genauer abbilden können. Neben einer verbesserten Modellierung von Krankheiten und Krankheitsmechanismen will das Projekt POEM auch zur Reduzierung und dem späteren Ersatz von Tierversuchen beitragen. Langfristiges Ziel ist der Aufbau einer Organoid-Plattform an der Universität Heidelberg. Die Forschungsarbeiten starten Anfang kommenden Jahres.
Johannes Backs ist Direktor des Instituts für Experimentelle Kardiologie an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg und Interimsdirektor des neuen Helmholtz-Instituts für translationale AngioCardioScience (HI-TAC). Am Kirchhoff-Institut für Physik leitet Wolfram Pernice die Arbeitsgruppe „Neuromorphe Quantenphotonik“, die neue Rechnerarchitekturen für Künstliche Intelligenz entwickelt. Christine Selhuber-Unkel forscht mit ihrer Gruppe am Institute for Molecular Systems Engineering and Advanced Materials an der Schnittstelle von Materialwissenschaft und Biophysik.
Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert das Vorhaben „Precision Organoid Engineering for Multi-Organ Interaction Studies“ im Rahmen ihres Themenschwerpunkts „Life Science Technologies“. Damit unterstützt die Stiftung interdisziplinäre Forschung an der Schnittstelle von Ingenieur- und Lebenswissenschaften.
Über die Carl-Zeiss-Stiftung
Die Carl-Zeiss-Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, Freiräume für wissenschaftliche Durchbrüche zu schaffen. Als Partner exzellenter Wissenschaft unterstützt sie sowohl Grundlagenforschung als auch anwendungsorientierte Forschung und Lehre in den MINT-Fachbereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). 1889 von dem Physiker und Mathematiker Ernst Abbe gegründet, ist die Carl-Zeiss-Stiftung eine der ältesten und größten privaten wissenschaftsfördernden Stiftungen in Deutschland. Sie ist alleinige Eigentümerin der Carl Zeiss AG und SCHOTT AG. Ihre Projekte werden aus den Dividendenausschüttungen der beiden Stiftungsunternehmen finanziert.